15. April 2020 Thema: Dorfleben Von Steffen Burmeister
Woche 4 der besonderen Umstände. Wir richten uns alle ein in der neuen Situation. Höhepunkt des Tages ist der Einkauf oder der Spaziergang. Wir arbeiten im Homeoffice und/oder in Kurzarbeit (einige auch in Kurzarbeit ‚Null‘). Und wie geht es den Gewerbetreibenden in unseren Dörfern? – Bei einigen habe ich nachgefragt: die Perspektive der Gewerbetreibenden. Wobei ‚Perspektive‘ ja beides bedeutet: Blickwinkel und Aussicht. Und beides ist durchaus unterschiedlich im Einzelfall. Hier die Zusammenfassung.
Wer heute einen Betrieb hat und sich virusbedingt einschränken muss, die Öffnung seines Ladengeschäfts, seiner Gastronomie oder sein Dienstleistungsangebot zwangsweise unterbricht, der bekommt Unterstützung vom Staat. Das steht ja auch überall so geschrieben. Bund und Länder wollen `zig Milliarden Euro bereitstellen, um die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie wenigstens teilweise aufzufangen. Es gibt Soforthilfen in Form von Zuschüssen, Krediten und Darlehen. Das Land Niedersachsen hat ein landeseigenes Corona-Hilfsprogramm mit einem Nachtragshaushalt in Höhe von 1,4 Milliarden Euro und die Aufstockung des Kreditrahmens von zwei auf drei Milliarden Euro. Liquiditätskredite und -zuschüsse können dann bei der niedersächsischen Förderbank (NBank) online beantragt werden.
Relevant für die in Jesteburg und Bendestorf ansässigen Betriebe ist v.a. die Soforthilfe für Kleinunternehmen mit bis zu 49 Beschäftigten. Da wird unmittelbar ein gestaffelter Liquiditätszuschuss angeboten. Zusätzlich gibt es Kredite zur Stützung der Liquidität bis 50.000 Euro. Nachweisen muss man dafür ein tragfähiges Geschäftsmodell und grundsätzlich positive Perspektiven. Ergänzend können Kleinunternehmer auch über die landeseigene NBank bis zu 15.000 Euro aus Bundesmitteln beantragen, wenn die Mittel nicht ausreichen. Und als weitere Liquiditätshilfe gibt auch Bürgschaften der Niedersächsischen Bürgschaftsbank (NBB); die verbürgt Hausbankkredite für nahezu alle Branchen bis zu einer Größenordnung von 2,5 Millionen Euro, teilweise im Expressverfahren innerhalb weniger Tage.
Aber wie sieht diese Unterstützung im Einzelfall aus – was hilft sie, welchen Schaden mindert sie? Dazu habe ich mit den Gastronomen Michael Schröder (Café Alte Sägerei), Seza Maack (Mokkasin) und Susanne Walsleben und Valerie Höhne (Café Book) und mit Olga Kölbl von Hof&Gut gesprochen.
Alle stecken natürlich viel Energie in den Erhalt ihrer Betriebe. Und alle sind auf die Bundesmittel angewiesen und haben auch schon konkrete Kredite beantragt. Seza Maack (Mokkasin) ist mit der Situation ganz zufrieden: „ich habe auf den Cent genau das bekommen, was ich beantragt habe und was ich brauche, um erstmal durch diese besondere Zeit zu kommen. Ich werde mein kleines Mokkasin behalten können! Das macht mich erstmal zufrieden und ich bin sehr froh, dass ich in einem Land lebe, das seine Unternehmer so unterstützen kann!“.
Zwiespältig sieht Michael Schröder (Café Alte Sägerei) die Lage. Schließlich hat er gerade viel investiert, um sein Café noch attraktiver zu machen – und jetzt steht er ohne laufende Einnahmen da. Neben der Eigeninitiative (Brötchen- und Kuchenverkauf außer Haus) hilft da das staatliche Angebot, der Antrag dazu war unkompliziert, das Ergebnis überraschend: „Geld vom Land ist hier angekommen, ohne Dialog, ohne Zwischenbescheid – plötzlich war es auf dem Konto“. Die Soforthilfe wird seinen Betrieb über die nächsten Wochen retten. Die große Frage ist für ihn und andere Unternehmer: hält die Förderwürdigkeit am Ende auch einer Prüfung Stand? „Das kann ein Bumerang sein“, meint Michael Schröder „am Ende kann jeder Betrieb auch erst in ein paar Monaten an die Wand fahren, wenn bewiesen werden muss, dass das Unternehmen in seiner Existenz gefährdet war und wenn der Beweis dann für die Prüfer nicht schlüssig ist“. Michael Schröder sieht seine Sichtweise begründet in den schwammigen und sich ständig ändernden Richtlinien in den Antragsformularen für die Sorforthilfen. Speziell die über die NBank abzurufenden Hilfen sollte man nur annehmen, wenn man seine Bedürftigkeit lückenlos nachweisen kann. Grundsätzlich bleibt der Gastronom zuversichtlich: „die Menschen werden die Cafés stürmen, wenn das hier vorbei ist!“.
Genau wie das Mokkasin und das Café Alte Sägerei bietet auch das Café Book trotz Schließung seine kulinarischen Spezialitäten weiter an; auch hier kann man sich für seine Kaffeerunde zu Hause Kuchen bestellen und hat somit wenigstens eine konkrete Reminiszenz an die Atmosphäre dieses besonderen Ortes. „Die Leute schreiben ‚wir vermissen Euch‘“ meint Susanne Walsleben, neben Valerie Höhne Betreiberin des Cafés, das inzwischen zu den kulturellen Zentren in unserer Samtgemeinde gehört. „Und wir vermissen unsere Gäste!“.
Die große Frage ist: wo kann man wieder anknüpfen nach der langen Pause? Und wann wird die erste Veranstaltung hier wieder über die Bühne gehen? Die Bendestorferin Susanne Walsleben hat da ein ganz positives Bild: „alle sitzen im Garten und essen ein Stück Kuchen – zunächst wird das Café wieder öffnen können, wir freuen uns über jeden Gast, der dann wieder zu uns kommt“. Mit einer schnellen Wiederaufnahme der abendlichen Veranstaltungen rechnen Valerie Höhne und Susanne Walsleben nicht – „das wird wohl bis September dauern“. Und die beiden Betreiberinnen haben Sorge, dass aufwendige Umbauarbeiten im Café notwendig werden, wenn eine Wiedereröffnung nur mit der Einhaltung von Abstandsregeln einhergehen darf. Aber auch hier gilt: „Wenn die staatlichen Mittel kommen, sehen wir dem Sommer ein bisschen entspannter entgegen!“.
Und wie geht es Olga Kölbl von Hof&Gut in Itzenbüttel? Der Betrieb hatte ein gesundes Geschäftsmodell, war ohne Kredite ‚groß‘ und beliebt geworden – in zwei Wochen ist eigentlich wieder Termin für ein rauschendes Fest: ‚Tanz in den Mai‘. Und stattdessen? – Am 19.03. musste das Restaurant und das kleine Hotel geschlossen werden. Seitdem ist die Unternehmerin vollbeschäftigt – aber ohne Einkommen: endlos wird mit Behörden telefoniert. Laufende Kosten werden reduziert, wo es geht („Gewerbemüll wird abbestellt, ist ja keiner da!“), der NBank-Antrag eingeschickt und dann überarbeitet und neu gemacht, Kurzarbeit beantragt. Beiträge für die IHK und die Berufsgenossenschaft laufen weiter. Die Betriebskosten sind hoch. Ein Take-Away-Service bringt nicht wirklich Geschäft, aber erinnert die Kundschaft daran, dass es Hof&Gut noch gibt. Aufgeben kommt für Olga Kölbl nicht in Frage: „Ich möchte, dass sich Itzenbüttel und Hof&Gut weiterhin gut entwickeln! – und im Juni oder Juli, wenn alles vorbei ist, dann machen wir eine ‚Corona-After-Show-Party‘, damit wir alle zusammen feiern können!“ – als Tipp: zur wirtschaftlichen und grundsätzlichen Unterstützung – und quasi als ‚Anzahlung‘ – kann man bei Olga Kölbl auch Gutscheine erwerben und die leckeren H&G-Klassiker an Freitagen, Samstagen und Sonntagen abholen.
Im nächsten Newsletter: zur Situation im Einzelhandel.