02. Juli 2020 Thema: Mobilität Von Steffen Burmeister
Zwei gewichtige Themen hatten wir gestern auf der Tagesordnung des Bauausschusses: die Bebauung des ‚Zirkusplatzes‘ gegenüber Famila und die Richtungsentscheidung für die Sandbargfläche – die Frage nach dem Standort eines möglichen und sehr wahrscheinlichen zukünftigen Jesteburger Bahnhofs. Zur Diskussion trafen sich die Ausschussmitglieder
(damit Sie die auch alle auf dem Zettel haben: es sind neben der Ausschussvorsitzenden Britta Witte (CDU) die Kollegen Kalle Glaeser (Grüne) und Tim Pansegrau (UWG) sowie aus unserer SPD-Fraktion Cornelia Ziegert und Steffen Burmeister – als stärkste Fraktion im Gemeinderat dürfen wir zu zweit 😉).Im Ausschuss werden bekannterweise die Themen vorbesprochen, aber nicht entschieden. Es wird dann aus dem Ausschuss eine Empfehlung an den VA oder den Gemeinderat gegeben. Das war also gestern unsere Aufgabe, und der sind wir nach einer durchaus kontroversen Auseinandersetzung auch nachgekommen. Um die Ergebnisse vorweg zu nehmen:
Damit ist die Spannungskurve ja schon raus 😉 und ich fange hier die Berichterstattung mit dem Sandbarg-Thema an. Weil das spektakulärer und grundsätzlicher ist. Und vielschichtiger: geht es doch einerseits darum, wo ein Bahnhof in Jesteburg gut platziert wird, mit all den Folgethemen, die da gleich hinterherpurzeln: verkehrliche Anbindung, Parkraum, … – geht es andererseits um die grundsätzliche Vision von Bürger*innen (direkten Anwohner*innen und andere Menschen aus Jesteburg) ob und wie die Sandbargfläche insgesamt zu entwickeln (also: zu bebauen) ist. Und es geht darum, ob man ein Modell findet, im Zusammenhang mit einer Überplanung des Bereichs die Investitionskosten für einen Bahnhof nicht unmittelbar auf die Schultern der finanzschwachen Gemeinde zu legen, sondern sich von einem Investor den Bahnhof quasi als Beigabe für die Entwicklung des Bereichs liefern zu lassen. Oder sich den so vom Staat fördern zu lassen, wie das ein Bürger in der Bürger*innenfragestunde vorgeschlagen hat (dem Ansatz werden wir nachgehen müssen).
Wir hatten unsere Position bereits vorab publik gemacht: für uns steht alleine der Bahnhof im Zentrum unserer Überlegungen; dafür wollen wir die baurechtlichen Voraussetzungen am Sandbarg schaffen (und auch die Zuwegung eng am Gleis sichern), weil der Bahnhof in die Mitte des Dorfes gehört (wir haben übrigens nach dem letzten Newsletter diverse Rückmeldungen bekommen, die uns da bestätigen; nur wenige plädieren für einen alternativen Standort). Vor alle weiteren möglichen Planungsvarianten (Art und Umfang einer möglichen Wohnbebauung, Integration eines Verbrauchermarkt-Angebots, …) setzen wir auf einen Meinungs- und Ideenwettbewerb der Jesteburger*innen, den wir uns auch sehr umfassend vorstellen können – über Bürgerforen, Arbeitsgruppen, Workshops etc. pp., die einem Bauleitverfahren vorangestellt sein können – dann also informellen Charakter haben – oder/und ein solches Verfahren eng begleiten und beeinflussen werden. Klar: wir können uns hier gut aus dem Gewerbegebiet umgezogenen Einzelhandel (z.B. direkt am Bahnhof) vorstellen, und Wohnbebauung. Ortskernnah – besser hier als jottwedeh. Wir würden uns auch unterschiedliche Bauabschnitte wünschen, vielleicht auch einen Städtebauwettbewerb und schrittweises Vorgehen. aber wir wollen da den noch gemeinsam zu findenden Ideen nicht vorgreifen. freuen uns jedenfalls auf den Prozess!
Zur Frage der Bürgerbeteiligung hatten wir Konsens. Zur Frage des von der SPD beantragten Aufstellungsbeschlusses für einen Bahnhof nicht: die Grünen möchten die Diskussion erstmal unverbindlich führen, die UWG wies stolz darauf hin, dass es ja sie war, die die Idee zur Bebauung des Sandbargs hatte (ähem: hätten wir die Pläne von 2017 tatsächlich umgesetzt – dann hätten wir jetzt einen vollgebauten Sandbarg und keinen Platz für einen Bahnhof!). Die CDU will – aus ihrer Sicht gut begründet – Fakten schaffen und das Schlüsselgrundstück sichern, aber noch keinen Pflock einschlagen – also (noch) keinen Beschluss zur Bebauung.
Die SPD zieht schließlich den beantragten Aufstellungsbeschluss für eine Gemeinbedarfsfläche Bahnhof einschließlich der Zugangsstrassen und eine Veränderungssperre nach §14 BauGB (das sichert den Status Quo für die Planungen der Gemeinde) für diesen Bereich zurück – wir ringen länger um die richtige Formulierung für einen ersetzenden Antrag (die Grünen haben immer noch einen Konjunktiv mehr auf der Wunschliste), der Verkaufsvorbereitungen für das Grundstück vorbereiten soll – und stimmen dann diesen Punkt und die umfassende Bürgerbeteiligung einstimmig ab. Und wir stellen fest, dass die Gemeinde natürlich auch in intensive Verhandlungen mit der Bahn gehen muss, um die Verbindlichkeit herzustellen, die wir brauchen.
Wie gesagt, das alles als Empfehlung für den VA und den Gemeinderat; da können dann Fakten geschaffen werden. Sieht ja aber gut aus!
Zum zweiten größeren Thema – dem Wohnungsneubau am Zirkusplatz – offiziell: „Bebauungsplanes Nr. 1.10 Brettbeekskoppeln – Ost“.
Jesteburg erfüllt damit Vorgaben der Landes-Raumordnungsplanung („durch die Umnutzung der Brach- und Stellplatzflächen für Wohnzwecke werden zusätzliche Wohnmöglichkeiten in der Nähe des Ortszentrums geschaffen und eine flächensparende, den Außenbereich schützende Konzentration der baulichen Nutzungen erreicht“). Und wir arbeiten damit ein kleines Stück dem Wohnungsmangel in der Samtgemeinde entgegen – hier wird bezahlbarer Wohnraum geschaffen. Nun gab es diverse Einwände von Anwohnern – aus deren Sicht sicher verständlich; nur für die Drohung mit Schadenersatzansprüchen hat keiner von uns wirklich Verständnis.
Frau Kirchner (Bauamt) und der Projektleiter der Planungsgesellschaft, Herr Richter, machten dann auch noch mal deutlich, dass eine Bebauung auf diesem Gelände immer geplant war – die Baurechte waren immer vorhanden. Und dass die im B-Plan vorgesehene Vedichtung sich auch im üblichen Maß hält, sogar unterhalb möglicher Grenzwerte bleibt. Geklärt haben wir auch die nachbarschaftsverträgliche Zufahrt zu den einzelnen Baufenstern.
Warum brauchen wir – hier und auch am Schierhorner Weg – den bezahlbaren Wohnraum? Die Begründung liefert das gestern der Diskussion zu Grunde gelegte Gutachten gleich mit. Zitat: „Entsprechend der Wohnungs- und Standortprognose 2030 für Niedersachsen wird sich die Bevölkerung im Landkreis Harburg von 2011 bis 2030 um 6,3 % erhöhen. Unter Berücksichtigung der Fluktuationsreserve und Wohnungsabgänge ergibt sich daraus ein Neubedarf von rund 23.500 Wohnungen im o.g. Zeitraum innerhalb des Landkreises. Der Neubedarf an Wohnungen in der Gemeinde Jesteburg liegt bei über 18 % des Wohnungsbestandes von 2011. Dabei ist der Neubedarf an Ein- und Zweifamilienhäusern mit über 15 % wie auch an Mehrfamilienhäusern mit über 24 % (jeweils des Wohnungsbestandes von 2011) gleichermaßen hoch. Entsprechend des Demographie-Gutachtens für den Landkreis Harburg zählt Jesteburg zu den wachstumsstärkeren Samtgemeinden mit überdurchschnittlichen Raten im Vergleich zum Landkreis-Durchschnitt.“
Nach umfassender Erläuterung zur Abwägung kam es dann zur Abstimmung. Und alle waren dafür.
Was gab es noch? – Im Bericht der Verwaltung die Hinweise, dass diverse Verfahren im Moment in unterschiedlichen Zuständen aber dynamisch ‚in der Mache‘ sind; das betrifft v.a Itzenbüttel, wo die Projekte bei Hof&Gut, bei Böttcher und bei Heitmann ihren Lauf nehmen, aber auch das Unterfangen am Seevekamp/Schierhorner Weg. Dazu finden jetzt die ersten Abstimmungsgespräche zur Planungsvereinbarung mit dem Investor statt.
Und zwei Befreiungsanträge; die gingen mit den pragmatischen Stimmen der SPD und der CDU weiter an den Verwaltungsausschuss.
Halb zehn war Schluss und die Vorsitzende stellte dann noch in Richtung der neuen ersten Samtgemeinderätin Petra Buzina, die zum ersten Mal an so einer Sitzung teilgenommen hatte (heute war ihr erster Arbeitstag!), fest, dass das eine für Jesteburger Ausschüsse beinahe sensationell frühe Uhrzeit ist. Zurecht.