19. Februar 2024 Thema: Gemeinschaft Von Steffen Burmeister
„Katastrophen sind wie Busse. Es wird immer wieder eine neue kommen“ – so beginnt Jo Röhrs – ehemaliger Ortsbrandmeister der Freiwilligen Feuerwehr – seinen Vortrag zur Vorbereitung und Bewältigung von Krisensituationen vor den Mitgliedern des Samtgemeinderats und dem anwesenden Publikum letzte Woche.
Ziel seines sachkundigen Vortrags zu Daseinsvorsorge und Krisenmanagement ist die Aufklärung und die Sensibilisierung der Entscheider für das wichtige Thema. Und ein Blick hinter die Kulissen: wie sind die Verantwortlichen auf Ernstfälle vorbereitet? – Wo ist noch Handlungsbedarf? Und auf was müssen sich die Bürgerinnen und Bürger im Ernstfall einstellen?
Nachgefragt haben wir bei Jo Röhrs zu den wesentlichen Punkten. Und Jo (wir duzen uns, haben ja schon oft genug zusammen in der Nachbarschaft an der Feuerschale gesessen) hat gerne noch mal die Lage erläutert.
Steffen Burmeister: Jo, Deinem Vortrag hast Du die Aussage vorangestellt: „wer alles schützen will, schützt nichts“ – welcher Apell verbirgt sich hinter diesem Statement?
Joachim Röhrs: Gemeint ist damit, dass in einem Krisenfall eigentlich immer ein hoher Handlungsdruck verbunden mit einem Ressourcenmangel die Optionen einschränkt. Was ist notwendig, wenn so ein Fall eintritt? – Prioritäten müssen gesetzt werden. Und vor allem braucht es eine klare und stringente Führungs- und Organisationsstruktur!
SB: Organisation ist ein gutes Stichwort. Wer ist eigentlich im Zusammenhang mit einer Gefahrenabwehr für was zuständig?
JR: Da die Gefahrenabwehr eine der wichtigsten staatlichen Aufgaben ist, sind die Zuständigkeiten gesetzlich geregelt. Grundsätzlich haben die (Samt-) Gemeinden wie Jesteburg eine leistungsfähige Feuerwehr aufzustellen, aufzurüsten und auch zu unterhalten. Und dann gibt es noch die Ordnungsämteroder auch die Bauämter, die die allgemeine, nicht-polizeiliche Gefahrenabwehr übernehmen. Im Katastrophenfall sind aber beide Organisationen nicht zuständig. Die Zuständigkeit liegt nämlich beim Landkreis. Das ist die zuständige Katastrophenschutzbehörde, hier ist im übrigen auch die Verantwortung für den Rettungsdienst, die Rettungsleitstelle und die Feuerwehrtechnische Zentrale – das ist quasi der zentrale Servicepunkt für alle Feuerwehren im Landkreis, wo Atemschutzgeräte, Schläuche uvm. gewartet werden. Und dann gibt es noch das Land Niedersachsen als zuständige Obere Katastrophenschutzbehörde mit der Zuständigkeit für die Polizei und für die Ausbildung der Feuerwehr. Dafür gibt es zentrale Bildungseinrichtungen in Celle und in Loy.
SB: Um das auch mal klarzustellen: was ist eine Katastrophe, was ist noch keine Katastrophe? Und wer kommt dann zum Einsatz?
JR: Eine größere Unwetterlage ist im Regelfall noch keine Katastrophe. Dann ist auch die Gemeinde zuständig. Das gilt auch für Schadensereignisse, bei denen die allgemeinen Mittel der Gefahrenabwehr nicht ausreichen, wenn es zum Beispiel um Evakuierungen geht. Wenn es dann aber eine Katastrophe ist, dann geht die Verantwortung auf den Landkreis oder gar das Land über. Aber – wichtig – der Landkreis und das Land verfügen ja nicht über eigene Einsatzkräfte – also muss auf Feuerwehren und Rettungsdienste vor Ort zugegriffen werden. Bei uns wäre das dann unter anderem die Samtgemeindefeuerwehr mit allen Ortswehren aus Freiwillige Feuerwehr in Bendestorf, Harmstorf, Jesteburg und Lüllau.
Im niedersächsischen Katastrophenschutz wird der Begriff Katastrophe so definiert: „Eine Katastrophe im eigentlichen Sinne wird im niedersächsischen Katastrophenschutzgesetz als Notstand definiert, der Leben, Gesundheit oder lebenswichtige Versorgung der Bevölkerung, die Umwelt oder erhebliche Sachwerte in einem solchen Maß gefährdet oder beeinträchtig, dass seine Bekämpfung durch die zuständigen Behörden und notwendigen Einsatz- und Hilfskräfte eine zentrale Leitung erfordert.“
Das hört sich natürlich sehr technokratisch an. Aber es geht hier ja um rechtliche Dinge, da muss so eine Definition wohl so sein.
Vereinfacht gesagt: In der Regel müssen schon die gesamten Einsatzkräfte eines Landkreises gefordert sein, bevor man von einer Katastrophen sprechen wird. Übrigens: Das eine Katastrophe vorliegt, muss durch den Landrat festgestellt und erklärt werden, dass kann nicht jede Bürgermeisterin, die Feuerwehr oder die Polizei. Mit der Feststellung geht Zuständigkeit und Verantwortung an den Landkreis über.
SB: Lass uns doch mal über das notwendige Krisenmanagement sprechen. Wie muss die Gemeinde sich da aufstellen?
JR: Krisenmanagement ist Vorbereitung auf den Ernstfall und Einsatz im Ernstfall. Die Gemeinde muss Risiken abschätzen und bewerten, Personal vorhalten, eine Organisationsstruktur (‚Krisenstäbe‘ ist hier das richtige Stichwort) definieren und aufbauen. Im Sinne einer guten Bereitschaft ist das Personal fortzubilden und es muss natürlich die richtige Ausstattung vorgehalten werden. Ein Punkt, der vor allem für die Einsatzbereitschaft der Feuerwehr wichtig ist! Aber auch der Bauhof braucht die richtigen Ressourcen! Und die Verwaltung muss ebenfalls entsprechend gerüstet sein.
SB: Mit welchen Katastrophen müssen wir bei uns rechnen?
JR: Theoretisch kann hier auch ein Flugzeug abstürzen. Wahrscheinlicher ist, dass wir mit einem Unwetter oder vielleicht auch Waldbrand konfrontiert werden. Wir beschäftigen uns für die einzelnen Szenarien mit der Eintrittswahrscheinlichkeit, : wie hoch sind die Gefahren und deren Folgen? Wie richten wir die Prioritäten nach der Nachvollziehbarkeit möglicher Ereignisse aus? Dafür gibt es ein Punktesystem, dass uns im Ergebnis bei einer Abwägung der Priorisierung hilft.
SB: Wichtig im Fall des Falles ist ja auch immer die angemessene Information der Bevölkerung.
JR: Genau! – für die große Aufgabe ‚Kommunikation‘ gibt es eine kalendermäßige Vorbereitung für die Einrichtung und der Alarmierung des Krisenstabs. Informiert werden die Bürgerinnen und Bürger über die Website der Gemeinde, eventuell wird ein Bürgertelefon eingerichtet. Wenn es allerdings als Folge der Katastrophe zu flächendeckendem und länger anhaltendem Ausfall des Stroms kommt werden Informations- und Anlaufpunkte für die Bevölkerung eingerichtet – wenn der zuständige Krisenstab das für notwendig und machbar hält.
SB: ‚Krisenstab‘ ist hier nochmal ein guter Stichpunkt: so einen Stab haben wir ja auch hier in der Samtgemeinde!
JR: Im Jahr 2006 hatten wir Unwetter mit erheblichem Starkregen und mit fast 350 Einsatzstellen. Anschließend hat die Feuerwehr eine Kommunale Einsatzleitung (KEL)für die Samtgemeinde eingerichtet, die vom Feuerwehrhaus in Bendestorf aus aktiv wird. Die KEL kann den örtlichen Sachverstand – vor allem die Ortskenntnisse – nutzen und entlastet die Rettungsleitstelle des Landkreises. Der Krisenstab der Samtgemeinde – gerade im Aufbau – kommt bei größeren außergewöhnlichen Ereignissen – also allem, was die alltäglichen Szenarien übersteigt – zum Einsatz.
SB: Ganz konkret, Jo, wie gut ist die Samtgemeinde Jesteburg für den Katastrophenfall aufgestellt?
JR: Dazu lässt sich ganz klar sagen: die Samtgemeinde Jesteburg ist gut aufgestellt und im Hinblick auf das Notwendige gut ausgestattet! Trotz der schwierigen Finanzlage investiert Jesteburg regelmäßig und mit hohen Mitteln – ein aktuelles Beispiel dafür ist die Entscheidung für die Ersatzbeschaffung eines Tanklöschfahrzeugs für die Ortsfeuerwehr Jesteburg – immerhin ein Auftrag über 530.000 EUR. Es wurde ein Brandschutzbedarfsplan in Auftrag gegeben, die Umsetzung der Ergebnisse soll in den nächsten Jahren im Rahmen des Möglichen erfolgen. Wir haben in den 4 Ortsfeuerwehren insgesamt um die 200 Feuerwehrleute und 14 Einsatzfahrzeuge, wir haben den Krisenstab der Verwaltung im fortgeschrittenen Aufbau. Die notwendige Sachausstattung in der Beschaffung. Wir sind gut organisiert und gut vorbereitet. Am besten ist aber, wir müssen gar nicht erst zum Einsatz kommen, denn man muss immer auch sehen: im Fall des Falles wird es zu Schäden und vielleicht auch zu Opfern kommen. Bei allen Anstrengungen und Bemühungen, die wir – Verwaltung, Politik und Feuerwehren – unternehmen.
Wichtig ist an dieser Stelle noch der Hinweis, dass die Bevölkerung auch zur Selbsthilfe, Vorbereitung und Eigeninitiative aufgerufen ist. Der Staat, also in diesem Fall die Gemeinde, kann schlicht und ergreifend nicht das Rundum-Sorglos-Paket für jeden Bürger schnüren. Entsprechende Informationen gibt es u.a. auf der Webseite der Samtgemeinde.
SB: In diesem Sinne: besten Dank für das Interview! – Und mehr über die Feuerwehren der Samtgemeinde gibt es unter diesen Adressen: