14. Mai 2020 Thema: Bauen, Entwickeln und Planen Von Steffen Burmeister
Die Unnormalität normalisiert sich. es findet also auch wieder eine Bauausschusssitzung statt. Wir treffen uns im Schützenhaus, mit Abstand, mit – allerdings abgezählter – Öffentlichkeit, mit Themen. Ging es eigentlich um drei „Knaller“, nämlich die Bebauung des Sandbarg (im Wesentlichen: die Zielsetzung der Sicherung der Fläche für einen Bahnhof), die Erweiterung des Gewerbegebiets am Allerbeek inkl. professioneller Vermarktung der neuen Flächen und um die (Teil-)Bebauung der jetzt noch freien Fläche am Schierhorner Weg – so kam uns das erste Thema kurzfristig abhanden.
Warum? – weil mindestens unsere Fraktion da noch wesentlichen Diskussions- und Klärungsbedarf hat. Wir können die Wichtigkeit erkennen, aber nicht die Notwendigkeit der Eile. Und beim geplanten Umfang der Umgestaltung unseres Dorfes an zentraler Stelle möchten wir möglichst solide Argumente austauschen und entscheiden. Das werden wir dann wahrscheinlich im Juli tun. Es ist ein bisschen wie bei einem Treffen der Schnabeltiere, fast jeder hat eine Maske auf und dann hat die Verwaltung aus welchen Gründen auch immer auf die Aufstellung der Mikrofonanlage verzichtet; wir nuscheln uns durch die Sitzung … angenehm war das für die erschienenen Zuschauer*innen sicherlich nicht. Da wird am Ende der Veranstaltung auch Besserung versprochen. Zunächst, wie immer: Bürgerfragestunde. Nicht verwunderlich: es kommen natürlich Bürger*innen zu Wort, die von den geplanten Erweiterungsflächen betroffen sind. Auch zum gestern nicht behandelten Sandbarg-Projekt – da stehen dann die Fragen im Raum:
und diese Fragen sind verbunden mit der Forderung, dass die Strasse ‚Am Osterberg‘ bitte unbefestigt bleiben soll – wie sie heute eben ist. Tatsächlich sind u.a. das genau die Fragen, die wir im Zusammenhang mit dem Projektkonzept zu klären haben werden. Die Bauausschussvorsitzende lässt sie sich vom vorbringenden Bürger aber zur Sicherheit noch mal schriftlich zustellen. Es gibt dann noch weitere Fragen und als Fragen verkleidete Statements von UWG-Ratsmitgliedern, die gestern als ‚Bürger‘ im Plenum sitzen, zum Beispiel zur regionalen Raumordnungsplanung und deren Vorgaben. Das wird später von der anwesenden Fachfrau erläutert und die den Wortmeldungen impliziten Vorwürfe entkräftet. Es gibt auch – nochmal zum Sandbarg – einen Hinweis, dass ein Bahnhof in der Ortsmitte gar nicht sinnvoll wäre, weil es ja nicht hinreichend Parkraum gäbe. Und dazu die Aufklärung der Vorsitzenden, dass wir genau deswegen ja einen professionellen Berater mit eingebunden haben, der Aussagen zur optimalen Lage machen wird, weil wir solche Zusammenhänge ja nicht in diesen Gremien erraten bzw. nur nach Bauchgefühl entscheiden wollen – sondern eben fundierte Grundlagen im Rahmen stringenter Verfahren brauchen. Und es gibt einen Beitrag eines Mitglieds der Kirchengemeinde, der darum bittet, die Nachbarschaft von Friedhof und geplantem Gewerbegebiet mit der notwendigen Sensibilität zu behandeln. Und der Kritik übt, dass überhaupt so gewichtige Themen in diesen Zeiten besprochen werden, der sich gewünscht hätte, dass die Arbeit im Bauausschuss einfach mal Pause macht und abwartet, bis alles wieder ’normal‘ ist, und die Mitwirkung der Öffentlichkeit vollständiger sein kann. Dagegen spricht, darauf weisen die Ausschussvorsitzende und v.a. auch die SPD-Mitstreiterin Cornelia Ziegert hin: es gibt tatsächlich einen gewissen Zeitdruck zumindest bei den gestern hier behandelten Hauptthemen: wir brauchen dringend den Kindergarten (der hängt am Baugebiet Schierhorner Weg) und wir brachen fast noch dringender mehr Chancen auf Gewerbesteuereinnahmen, den daran hängen andere Projekte und alle freiwilligen Leistungen der Gemeinde, dazu gehört zum Beispiel das Freibad. Anschließend: Bericht der Verwaltung. Gemeindedirektor Henning Oertzen hat Neuigkeiten nur zu einem Punkt: der B-Plan Brettbeekskoppeln wird erneut öffentlich ausgelegt, weil ja virusbedingt das Rathaus zu war. Wer diesen Plan also noch mal einsehen und ggfs. kommentieren will: vom 11. Mai bis 12. Juni besteht die Möglichkeit. Zum Projekt ‚Gewerbegebiet‘ referieren dann Silke Wübbenhorst vom Planungsbüro Mehring und Jens Wrede von der Wirtschaftsförderung des Landkreises. Es geht um drei zusammenhängende Entscheidungen: 1. den sogenannten Aufstellungsbeschluss für eine Änderung und Erweiterung des Bebauungsplanes „Am Allerbeek“ 2. den Abschluss einer Planungsvereinbarung mit der Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Landkreises (WLH) und 3. den Abschluss eines Erschließungsvertrags mit der WLH. Was ist das Ziel? Die Gemeinde Jesteburg hat heute zu wenig Flächen für Gewerbe. Es gibt Unternehmen, die in den letzten Jahren aus Jesteburg verschwunden sind, weil keine Fläche zur Verfügung stand. Und es gibt Unternehmen, die sich gerne angesiedelt hätten (z.B. ein bekannter Gewürzmischbetrieb), denen wir aber keine zum Bedarf passende Fläche anbieten konnten. jetzt möchten wir planungsrechtliche Voraussetzungen für neue Gewerbeflächen schaffen und zielen dabei besonders auf die Ansiedlung von kleineren und mittelständischen Betrieben ab. Der Effekt einer solchen Entwicklung ist eine Stärkung der Wirtschaftsstruktur Jesteburgs durch zusätzliche Gewerbesteuereinnahmen (Gemeindedirektor Henning Oertzen weist darauf hin: wir haben einen der letzten Plätze bei Gewerbesteuereinnahmen im Landkreis – das muss nicht so bleiben), klar, und die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Gemeinde. Auch nicht verkehrt, weil das tatsächlich ein wesentlicher ökologischer Aspekt ist: wohnortnahe Arbeitsplätze. Die WLH selbst – ein non-profit-Betrieb, der sich als Dienstleister der Gemeinden versteht, aber natürlich, das betont Jens Wrede auch, die belange der lokalen Wirtschaft besonders im Auge hat – hatte in Vorfreude auf das Projekt bereits erste Ideen („eine grobe Skizze“) zu einer möglichen Planung zusammenstellen lassen. Diese wurden uns gestern vorgestellt.
Wo ist die Fläche? – es geht um insgesamt 10 Hektar, die in den nächsten Jahren planvoll entwickelt werden könnten. Der größte Teil des Gebiets erstreckt sich jenseits des neuen Friedhofs. Und die Idee ist, dass die WLH mit der Gemeinde Jesteburg dazu einen Vertrag macht, um die Flächen bei passendem Gewerbe zu vermarkten. Dabei gingen die ersten Überlegungen und Diskussionen in den Ausschüssen von einer deutlich kleineren Gesamtfläche aus. Zwischenzeitlich war der Umfang gewachsen. Jens Wrede weist darauf hin, dass wir hier jetzt vergleichbar bei der Größenordnung der Gewerbegebiete in Hanstedt oder Marxen sind, Silke Wübbenhorst ruft noch mal in Erinnerung, dass die Regionale Raumordnungsplanung ja gerade Gewerbegebiete in Grundzentren wie Jesteburg fordert – allerdings eben hier nicht, wie an autobahnnahen Standorten für Logistiker, sondern für kleine und mittlere Produktionsbetriebe, unter anderem auch für sich entwickelnde Unternehmen, die am Ort wachsen wollen. Was haben wir heute an Argumenten ausgetauscht? – den Grünen könne sich irgendwie noch nicht entscheiden (steht wahrscheinlich nicht im öffentlichen Sitzungsprotokoll: der doch vergleichsweise emotionale Vorwurf der Ausschussvorsitzenden Britta Witte (CDU) an die Grünen, dass diese sich ja grundsätzlich bei all diesen Themen vor einer verantwortungsvollen Zustimmung drücken, aber andererseits auch nicht erklären können, wo das Geld für die gewünschten Zukunftsprojekte (Kindergarten, Ganztagsschule) herkommen soll), die UWG glaubt irgendwie nicht, dass wir das alles überhaupt brauchen (so sind sie!), die CDU braucht eigentlich gar keine Diskussion. Und wir können uns für eine Umsetzung unter bestimmten Rahmenbedingungen entscheiden – auch, weil uns ja sehr klar ist, dass ein Startschuss heute für einen Aufstellungsbeschluss ja erst die Grundlage für eine sachbezogene Gestaltung schafft: Vieles bleibt noch offen („da steckt noch viel Arbeit drin“ sagt Frau Wübbenhorst) und wird in weiteren – soweit es nicht um Vertragsdetails geht natürlich öffentlichen – Sitzungen zu besprechen sein. und da laden wir auch alle Interessierten ein, sich kräftig in die Debatte einzubringen! Das Projekt ‚Gewerbegebiet Am Allerbeek‘ wird mit 3:2 Stimmen gestern auf den Weg gebracht. Die nächsten Absprachen dazu finden im Verwaltungsausschuss und im Gemeinderat statt. Das zweite große Thema war deutlich weniger umstritten und hat seit gestern auch seinen Namen: „Baugebiet Schierhorner Weg West“. Das war bisher passiert: Als die Pläne zur teilweisen Bebauung der Freifläche 2018 das erste Mal auf die Tagesordnung kam, formierte sich gleich eine Gruppe von Anwohnern, die sich gegen eine Bebauung aussprachen. Gleichzeitig gibt es massive und kontinuierliche Nachfrage nach Wohnfläche in Jesteburg – und zwar für beide Kategorien: Einfamilienhäuser und preiswerte Wohnungen. Und es gibt den Bedarf der Gemeinde nach einer neuen Kindertagesstätte – in möglichst grüner Umgebung (unser erster Vorschlag mit einer Platzierung gegenüber Famila hat nicht sooo viele Fans gefunden). Unstrittig gibt es Herausforderungen beim Verkehr bei zunehmender Bevölkerung.
Was lag jetzt gestern abstimmungsfertig auf dem Tisch?
Ein gutes Paket. Wir sehen den Vorteil für die Gemeinde insgesamt und die hier wohnenden Menschen. Aus unserer Sicht spricht Alles dafür, jetzt den B-Plan aufzustellen und damit die Gutachten zu allen kritischen Bereichen – auch zur Belastung des an die Fläche angrenzenden Strassennetzes – in Auftrag zu geben. Und so haben wir uns dann auch entschieden. Mit den Stimmen von SPD, Grünen und CDU wurde gestern mit der nächste Schritt im Verfahren beschlossen. Wir freuen uns auf die neuen Jesteburger Nachbar*innen in 8 Mehrfamilienhäusern (insg. 23 Wohnungen), 8 Doppelhäusern und 22 Einzelhäusern. Als es dann anschließend noch um drei Befreiungsanträge geht ist schon kaum mehr Publikum da; bis 21:30 Uhr geht die Sitzung. Und heute tagt an gleicher Stelle der Samtgemeindeausschuss und Samtgemeinderat.