24. Februar 2022 Thema: Bauen, Entwickeln und Planen Von Steffen Burmeister
Gestern im Gemeinderat hatten wir ein anspruchsvolles Programm. Eigentlich nicht so anspruchsvoll, dass wir nicht hätten alles erledigen können. Aber dann mussten wir doch aus Zeitnot abbrechen. Eine halbe Gemeinderatssitzung also nur, aber die hatte es in sich.
Es hatte sich einiges angestaut, auch an Emotionen, wie man im Verlauf der Sitzung wahrnehmen konnte. Erledigt haben wir auch was, im Sinne von ‚auf den Weg gebracht‘, zum Beispiel den Kreisel, zum Beispiel den Wohnungsbau, ein Stück weit den Bahnhof.
Der Reihe nach: zunächst eröffnet Bürgermeister Udo Heitmann die Bürger*innenfragestunde, die laut Satzung maximal 30 min. dauert – gestern haben wir eine Halbzeit länger gespielt, so viele Fragende waren da. Statements und Nachfragen gab es zu den Tagesordnungspunkten und drum herum. Und grundsätzliches Interesse, wie Politik in der Kommune funktioniert oder möglicherweise nicht funktioniert. Es wird Misstrauen deutlich – ob sich die Ratsmitglieder ausführlich genug mit den Themen auseinandergesetzt haben? Dass die konkrete Ausprägung des neuen Gebäudes am Kreisel den Kommunalpolitikerinnen nicht bekannt sei wird kritisiert (aber es ist nun mal so, dass der Investor sich natürlich innerhalb der Regelungen des B-Plans und der Gestaltungssatzung des Ortes ‚frei‘ bewegen darf, also: alles ok), warum wir die Eiche bei Baden&Meyer nicht retten, protestieren Menschen mit Redebeiträgen und Plakaten – sind aber, als wenig später der Tagesordnungspunkt diskutiert wird wieder verschwunden. Hier wird das Verständnis nicht wirklich gesucht, darf ich da mal unterstellen.
Das gab es gestern auch in der Bürgerfragestunde: den dringenden Appell, jetzt endlich „zügig“ den Kindergarten zu bauen, den die Gemeindepolitik seit 2019 verspricht – und damals war es schon dringend. Nathalie Voß-Verheyden ist sehr eindringlich in Ihrer Funktion als Elternsprecherin, und Vertreterin der IG KiGa. Aber inhaltlich wird später gar nicht debattiert, weil wir zu diesem Punkt erst gar nicht kommen …
Verkehrsthemen standen im Mittelpunkt der Diskussionen. Wir haben zusätzliche Mittel für den geplanten Kreisel bewilligt und dabei die mit dem Bau des Kreisels zu errichtende Oberflächenentwässerungsanlage begutachtet und zur Kenntnis genommen – im übrigen u.a. auch nur ein Grund dafür, dass die Baden&Meyer-Eiche nicht stehen bleiben kann und eine Ersatzpflanzung auf dem Niedersachsenplatz stattfindet (wobei man natürlich nicht einen 250 Jahre alten Baum durch eine Neuanpflanzung vollwertig ersetzen kann – aber seien Sie gewiss, dass sich die Ratsmitglieder und die Kolleginnen und Kollegen in der Verwaltung hinreichend bemüht haben, eine alternative, baumerhaltende Lösung zu finden – es war nicht möglich).
Das ‚Gesamtkunstwerk Kreisverkehrsführung‘ sieht man in dem anliegenden Bild. Eingezeichnet ist auch bereits der geplante Neubau des Investors auf dem Restgrundstück ehem. Baden&Meyer – hier hellblau hinter der Apotheke, der Südbacke des Kreisels angepasst.
Erklärungsbedürftig ist: der Kreisel wird nochmal um 560.000 EUR teurer – der Mehraufwand ist für die Entsorgungsinfrastruktur für das Oberflächenwasser notwendig. Das ist nicht wirklich ein neues Thema: seit ein paar Jahren bereits darf das Wasser eben nicht mehr einfach den Berg runter und am Ende in die Seeve fließen. Deswegen investiert Jesteburg in großem Stil in Regenrückhaltebecken. Eine Pflichtaufgabe, der wir nachkommen. In diesem Fall geht das Wasser in ein Staubecken und später in einen Stauraum-Kanal. Das Becken wird unterhalb des Kreisels angelegt und fasst knapp 300 Kubikmeter (das ist ein beeindruckendes Bauwerk!).
Da gab es – wenige – Ratskolleg*innen, die sich noch nicht umfänglich informiert fühlten und – immer ein merkwürdiges Ritual im Rahmen von Ausschuss- und Ratssitzungen – glauben, dass sie jetzt die eine Idee bringen, die viel besser, preiswerter, naheliegender ist, als die Lösungen die die Ingenieure der unstrittig fachkundigen Beratungsfirma vorschlagen. „Das ganze Projekt ist sowas von abgestimmt“ hielt Udo Heitmann dagegen und verwies damit auf die seit mehr als 15 Jahren laufende Diskussion, die Gutachten, die Beschlüsse und die ausführlichen Vorlagen, die allen im Rat zur Verfügung stehen.
Wir haben dann viel Zeit damit verbracht zu klären, dass eigentlich alles entweder bereits erklärt oder eben alternativlos war. Und zwischendurch kam immer wieder der Eindruck auf: wenn man das Staubecken woanders platziert, dann bleibt auch die Eiche (Beifall aus dem Publikum!). Tatsächlich wissen alle Ratsmitglieder: wenn wir irgendwas an der verkehrlichen Führung in dieser Ecke optimieren, dann geht das leider auf Kosten dieses Baums. Wer den Baum retten will, der muss alles so lassen, wie es ist.
Das wollte am Ende eigentlich niemand, selbst bei den 4 gegen den Beschluss zur Aufnahme der Baumaßnahme stimmende Kolleginnen (es gab auch eine Enthaltung) hatte offensichtlich niemand prinzipiellen Gründe gegen die Lösung. Das ist uns am Ende der fließende Verkehr wert: Baukosten von 2,5 Mio. EUR (zzgl. Kosten für Lärmschutz) – davon werden 630.000 EUR durch Fördermaßnahmen übernommen.
Es passiert aber auch etwas für andere Mobilitäts-Varianten: Jesteburg zeigt der Landesnahverkehrsgesellschaft sein ungebremstes Interesse für die Einrichtung einer Bahnstation im Ort. Der Gemeinderat hat sich gestern für eine Standortvariante für den Bahnhof (offiziell: ‚Haltepunkt‘) ausgesprochen. Und die Verwaltung beauftragt, die Gespräche mit der LVNG und der Deutschen Bahn fortzuführen. Die Entscheidung, ob und wenn-ja-wann unser Dorf wieder an den Schienenverkehr angebunden wird rückt näher! Das war einstimmig.
Schon in Vorbereitung für die Etablierung eines Bahnhofs und weil das ein ‚altes‘ und schon mehrfach aufgeschobenes Thema war: wir wünschen uns einen sicheren Fußgängerüberweg zwischen dem Penny und der Kreissparkasse (siehe Titelbild). Und wir kennen viele Menschen in Jesteburg, die sich das auch wünschen. Vor allem die Grünen und die SPD – zunächst auch die CDU – hatte die Idee aufgenommen und den Antrag für eine Querungshilfe (also eine Mittelinsel, die die Querung der Landesstrasse an dieser Stelle nicht nur für ältere Leute und Schulkinder erleichtert) unterstützt. Dazu wurde 2019 abgestimmt, das Thema war längst beschlossen, konzipiert und kurz vor der Ausschreibung der Leistungen. Und das Thema ist – unstrittig – teuer und wurde jetzt nochmal 34.000 EUR teurer. Aber wird dieser Übergang jemals wieder zu den aktuellen Investitionskosten umsetzbar sein? Grüne und SPD sagen: es ist hohe Zeit, dass die Vorarbeiten jetzt auch zu einem sichtbaren Ergebnis führen. Andere (CDU, UWG) sagen: lasst uns das Geld sparen, die abgerufenen – zweckgebundenen – Fördermittel zurückzahlen, die angefallenen Arbeitsstunden zu diesem Projekt in der Verwaltung und im Planungsbüro vergessen und das Thema aus Gründen der Haushaltskonsolidierung streichen. Die Position kann man haben, gut.
Die SPD sagt: wir sparen gern, aber nicht bei der Sicherheit. Nach teilweise hitziger Diskussion („riskante Investition“ versus „riskante Unterlassung“) wurde der Antrag zur Streichung des Projekts mit den Stimmen der CDU, FDP, UWG und der WIN befürwortet.
Also: bei diesem Thema alles auf Null. Meine Prognose: das Thema wird wie Kasperle aus der Kiste in einigen Monaten wieder auf der Tagesordnung stehen. Weil der Bedarf eben da ist. Die eindrücklichen Plädoyers des Seniorenbeirats („für die Sicherheit fehlt das Geld, ich kann es nicht glauben!“ sagt Ernst Gedak) und der Elternvertreterinnen von Grund- und Oberschule werden nicht umsonst gewesen sein. Es wird dann halt nur teurer.
Ja, andere Punkte hatten wir auch noch abzuwägen und zu entscheiden. Sehr gut: durch den Vollzug der geplanten Übereignung des Baugrundstücks haben wir gestern die Bautätigkeit der KWG (Kommunalen Wohnungsbaugesellschaft) angeschoben. Auf dem hinteren Teil des Zirkusgrundstücks wird jetzt u.a. ein Mehrfamilienhaus mit 12 Wohneinheiten (das war manchem zu viel des Guten (nehmen Sie das mal buchstäblich!)) errichtet, entsprechend eines B-Plans, der längst verabschiedet ist – gestern aber doch noch mal zu Diskussionen führte.
Der Geschäftsführer der KWG, Herr Thurmann, erläuterte den Planungsstand. Wichtig dabei: durch die Kostensteigerung im Bausektor ist eine Vollverklinkerung nicht mehr finanzierbar, die Häuser werden jetzt in einem Klinker-Putz-Mix gestaltet. Baustart wird voraussichtlich April oder Mai sein. Dieses Jahr.
Und wir wurden massiv mit Kultur konfrontiert: ein kurzer Vortrag über Bossard und aktuelles aus dem Museumsbetrieb dort – und deswegen hier auch ein Hinweis: am 29.03. um 18h wird dort das Forschungsergebnis zur Haltung der Bossards in der NS-Zeit vorgestellt (eine Anmeldung dort ist notwendig). Udo nutzt das für einen Werbeblock für die Kunststätte.
Hans-Jürgen Börner ist gestern übrigens einstimmig als Vorstandsmitglied für die Kunststätte Bossard wiedergewählt worden; der Vorsitzende des Kulturausschusses Kalle Glaeser plädierte energisch und sympathisch für diese Lösung.
Abgebrochen wird seit kurzem übrigens bei Böttcher in Itzenbüttel – da wird ein Stück Zukunft vorbereitet, ein Baugebiet, das der Rat vor zwei Jahren beschlossen hatte. Und unterbrochen haben wir gestern unsere Sitzung, weil es zu viele der Tagesordnungspunkte waren und offensichtlich für den einen oder anderen zu wenig Vorberatung – denn wir haben wieder länglich zu Punkten debattiert, die doch längst ausdiskutiert und bereits mit eindeutigen Mehrheiten in den vorlaufenden Ausschüssen empfohlen waren. So ist Jesteburg.
Zu viel Inhalt, zu viele Entscheidungen, zu viel Debatte. – Wir sind also nicht fertig geworden gestern, ab Tagesordungspunkt 18 haben wir vertagt. 46 hätten wir gehabt. Um 23:10h schloss Udo Heitmann launig die Sitzung. Fortsetzung folgt.