13. Juli 2022 Thema: ... die Sitzungen, Bauen, Entwickeln und Planen Von Steffen Burmeister
Normalerweise haben wir die Tagesordnung eine halbe Stunde nach Sitzungsbeginn verabschiedet. Eine Formalie. Diesmal ein Knaller mit langem Abgang (die Tagesordnung stand erst weit nach 21 Uhr) gleich am Anfang: die Entscheidung, ob es in Itzenbüttel nun voran geht mit dem geplanten Gesamtkunstwerk: Restauration, Wohnen, Reiten und Hotel kam gar nicht erst auf die Tagesordnung. Und das kam so …
… die UWG hatte beantragt u.a. die Diskussionen zum Bauvorhaben Itzenbüttel von der Tagesordnung zu nehmen. Und zwar, weil die UWG sich eine Abmahnung wegen – so meint der Abmahnende – falscher Tatsachenbehauptung eingefangen hat. Andere Ratsmitglieder plädierten für die Abstimmung. Weil bei diesem seit 3 Jahren ausgiebig vorberatenen Projekt die Abstimmungslinie ja klar war, es keine neuen Argumente gab und der Brief von den Anwälten an die UWG sich ja auf Fragen der wahrheitsgemäßen Darstellung bezog und nicht auf Meinung und Entscheidung.
Zum Antrag gab es dann eine Abstimmung, bei der Julia Neuhaus (CDU, Corona) online zugeschaltet war; der Antrag wurde mit 11:11 Stimmen abgelehnt. Glaubten wir jedenfalls, weil: wir hatten ja in den letzten Sitzungen im individuellen Krankheitsfall immer Kolleginnen per Video zugeschaltet und mitwirken lassen. Aber diesmal ging es so aus: nachdem die pandemische Lage inzwischen zu Ende ist, beantragte die UWG die Stimme von Julia Neuhaus nicht zu zählen. Die Verwaltung bestätigte die rein formale Zulässigkeit dieses Antrags. Damit war das Thema für gestern weg. Aus dem Publikum kamen Rufe, ob es der UWG überhaupt um die Sache ging. Ging es offensichtlich nicht.
Die Entscheidung kommt wieder auf die Tagesordnung; nach dem Sommer haben wir dann auch eine Hauptsatzung, die das Abstimmen online im Krankheitsfall legitimiert. Dann entscheiden wir halt auf der ersten Sitzung nach der Sommerpause. Nachdem das klar war verließen zwei Drittel des Publikums den Saal.
Unser Wochenblatt. Das gehört dann doch auch noch zur Geschichte der Entscheidungsfindung (bzw. – gestern war es ja eine Nichtentscheidungsfindung). Die UWG, erklärtermaßen kein Freund des Projekts (s.o.), hat, wie gesagt, vor der Entscheidung Meinungsmache betrieben. Worauf sich der verleumdet fühlende Investor dagegen wehrt und eine Abmahnung schickt. Das ist natürlich grundsätzlich schwierig, wenn es soweit kommt, dass rechtliche Mittel gegen Gremien-Abgeordnete eingelegt werden müssen. Den Fall wollen wir hier nicht weiter kommentieren.
ABER: dass das Wochenblatt gestern unkritisch (die Vokabel wähle ich hier bewusst) das Framing der beschuldigten Partei übernimmt und sich zu einer Schlagzeile hinreißen lässt, die den Kriegstreiber Putin, den Kurden-Schinder Erdogan und einen Itzenbüttler Unternehmer auf gleiche Stufe stellt – das kann nur passieren, wenn man erst beim Recherchieren doll stolpert und dann beim Texten einer Überschrift grob ausrutscht. Da wünschen wir dem Wochenblatt in Zukunft deutlich mehr Standfestigkeit!
Anmerkung: die CDU hatte gestern unter viel Applaus auch aus dem Publikum vor der Sitzung ein Statement dazu abgegeben, die Abneigung (das ist ein Euphemismus) gegen eine solche „Berichterstattung“ ist breit!
Und dann haben wir tatsächlich noch einen weiteren Tagesordnungspunkt geschafft: wir reden über eine enorme Kostensteigerung beim Kreiselbau. Halt! es geht gar nicht um den Kreisel, es geht ’nur‘ um die Oberflächenentwässerung, die wir seit 2015 hier regeln müssen und die wir gemeinsam mit dem Kreiselbau abarbeiten wollen. 1,1 Mio. mehr soll das jetzt kosten – es ist ein Mix aus Gründen (überraschender Aufwand zur Grundwassersenkung, Materialkosten, Entsorgungskosten). 12 m hohe Spundwände müssen in den Grund getrieben werden, damit wir bestandssichernd einen großen Tank für die Regenwasserrückhaltung in die Erde bekommen. Unter den Kreisel.
Die dem Vortrag des Ingenieurs sich anschließende Diskussion drehte sich um Fragen, ob man das Wasser nicht irgendwie ganz anders wegkriegen kann (darum ging es überhaupt nicht) und was das Wort ‚Alternativlosigkeit‘ genau bedeutet. Mehrere Kolleginnen wollen – sicher in guter Absicht – aber zu welchem Zweck? – in den Fraktionen dazu sprechen, ob Ihnen noch was kostensenkendes einfällt. In der Tendenz war klar, dass es nicht zu einer Absegnung der notwendigen Mehrkosten kommt (was tatsächlich die Baumaßnahme als solche gefährden kann).
Trotzdem gab es noch Versuche zur Argumentation: Cornelia Ziegert (SPD) sagt zu Recht, dass das Vorhaben immer teurer wird, wenn wir es jetzt ausbremsen. Carola von der Lieth (SPD) weist darauf hin, dass wir seit 2015 ständig eine Umweltstraftat begehen. Birgit Heilmann (Grüne) weist zu Recht darauf hin, dass der Fachmann der Fachmann ist.
Um 22:45 Uhr rätseln wir immer noch, was besser ist. Klar war das für die Fraktionen der Grünen und der SPD.
Tatsächlich haben wir es nicht geschafft, die Mehrheit der Kolleginnen zu überzeugen. Mit 11:10 wurde die Genehmigung der zusätzlich anfallenden Kosten ohne weitere Sitzung verweigert. Nächste Woche kommt das Thema in den SWU (Straßen-Wege-Umwelt-Ausschuss). Wir sind gespannt auf das Ergebnis der Sitzung und hoffen, dass diese Bremsaktion die Umsetzung des Projekts nicht blockiert.
Was ist das Ergebnis des langen Abends? Man lernt die Kolleginnen am Ratstisch schon immer besser kennen. Wir können jetzt noch besser einschätzen, wer auf Inhalte setzt und wer Formalien im Fokus hat; wer konstruktiv ist und sich den Themen stellt. Oder wer sich einen großen Bremsklotz zu Weihnachten gewünscht hat und jetzt kein anderes Spielzeug mehr beherrscht. Eine Herausforderung.